Siegen / 29.09. - 01.10.2022

  Tagung in Siegen Urheberrecht: © Uni Siegen
 
 

Alltägliches Erben

Die Jahrentagung des Arbeitskreises Theorie und Lehre der Denkmalpflege hat vom 29. September bis zum 1. Oktober 2019 in Siegen stattgefunden

Inhalt

Das Alltägliche hat zu jeder Zeit den Großteil der Bauproduktion ausgemacht. Eben diese Bauten und Ensembles sind oftmals ortsbildprägend und als Zeugnisse der Alltagskultur beispielhaft für ihre Zeit. Bauwerke der jüngsten Vergangenheit sowie Vertreter weniger repräsentativer Baugattungen sind längst Teil unseres Verständnisses von Kulturerbe geworden.

Doch hierarchisierende Kriterien wie Gestaltungsqualität und Innovationsgrad bilden im Zuge weiterer Auswahlprozesse nach wie vor Aspekte für eine Ausweisung als Kulturerbe. Insbesondere auf lokaler und regionaler Ebene sind es aber gerade die alltäglichen zeittypischen Bauten, die auch durch ihr massenhaftes Auftreten Lebensräume prägen, und zwar meist ohne dabei technisch oder konstruktiv innovativ oder von besonderer künstlerischer Qualität zu sein – also keine „Highlights“ und damit oft auch keine Denkmale.

Vor diesem Hintergrund rückt ein alltägliches Erbe in den Fokus, das lange Zeit „unter dem Radar“ der Forschung lag: vernakuläre Architektur, das Gros der alltäglichen Bauten und die sogenannte „Graue Architektur“. Diesbezügliche, zumeist interdisziplinäre Forschungen und Praktiken fokussieren auf die Bedeutungsdimensionen des Zeugnisses, der Identitätsstiftung oder der Erinnerung mit einem entsprechenden Schwerpunkt auf den Akteur:innen und den Prozessen und fragen danach, wie bis dato ausgeklammerte Formen von Erbe jenseits der etablierten Narrative und Auswahlkriterien sichtbar gemacht werden können. Dabei reichen die Vorschläge von einer Unterwanderung des Kanons und dem Aufstellen eines Gegenkanons bis hin zu einer Ablehnung jeglicher hierarchisierender Selektion.

Aber wie können wir dem drohenden Verlust der für ihre Zeit und Region charakteristischen Bauten begegnen, ohne die befürchtete „Inflation“ der Denkmale auszulösen? Wie verhalten wir uns gegenüber der Kritik an der als uneinheitlich und intransparent erscheinenden Unterschutzstellungspraxis der primär lokal und regional bedeutsamen Bauten? Inwieweit bleiben Methoden der Kanonisierung auf Vorstellungen angewiesen, die von Peripherie und Zentrum ausgehen? Mit welchen bereits vorhandenen und erprobten, aber vielleicht auch erst zu entwickelnden Instrumenten könnte dieses alltägliche Erbe geschützt und bewahrt werden? Und schließlich: Wie können diese oftmals unscheinbaren, wenig spektakulären Zeitdokumente der Öffentlichkeit vermittelt werden?