Forschungsfeld: Nachhaltig Bauen???
Wer entscheidet eigentlich wie ich nachhaltig baue?
Als Gesellschaft, verfolgen wir, (neben anderen Themen) aktuell zwei herausragend wichtige Ziele: Zum einen besteht großer Bedarf schnell Wohnraum zu schaffen, zum anderen müssen wir unseren CO2-Ausstoß unbedingt rasch reduzieren. Zwei Anliegen, die sich auf den ersten Blick grundsätzlich zu widersprechen scheinen. Dass die energetische Sanierung und Nachverdichtung des Bestandes eine Schlüsselrolle bei diesem Umbau spielen, liegt auf der Hand.
Der aktuelle Transformationsdruck eröffnet uns die Chance oftmals banale und teilweise sozial schwierige, Wohnumgebungen in Deutschland zu lebenswerten und attraktiven Nachbarschaften umzubauen.
Das klingt nach einer Win-Win Situation. Viele Menschen beschäftigen sich aktuell mit unterschiedlichen Fragestellungen zu diesem Thema. Dennoch gewinnt man den Eindruck, dass es in der Praxis schleppend oder in Hinblick auf wesentliche Qualitätsmerkmale nur unbefriedigend voran geht. Warum ist das so?
Technisch und planerisch stehen viele funktionierende Prinzipien zur Verfügung und es gibt Referenzen erfolgreicher Projekte. Der politische Wille und Finanzierungsmöglichkeiten wären eigentlich auch vorhanden.
Dieses Seminar widmet sich der Frage, wer die handelnde Akteure sind, die den oben beschriebenen Prozess vorantreiben müssen und was ihre Entscheidungskriterien, Zwänge und Antriebskräfte sind. Wonach fällen unterschiedliche Vertreter die wichtigsten Entscheidungen zum Beispiel zu folgenden Fragen:
1) Abbruch oder Erhalt?
2) Welcher Sozio-ökonomischer-Mix wird angestrebt?
3) Wie sehen die Baukosten aus: Low-Budget, Mid-Range oder High-End?
4) Was für eine Dichte ist am Standort sinnvoll?
5) Welche Energiequelle soll eingebaut werden?
6) Welches Mobilitätsangebot soll bereit gestellt werden?
7) Welche Bauweise soll verwendet werden usw.
Gemeinsam werden wir die unterschiedlichen Kriterien vier verschiedener Fraktionen beleuchten und kartieren. Weiterhin werden wir uns anschauen, zu welchen Ergebnissen die Kollegen*innen bei verschiedenen Projekten gelangt sind. Wir nehmen dabei einerseits eine neutrale und wissenschaftliche Betrachtung der Kriterien vor und andererseits suchen wir praktische Ansätze, die sich bewährt haben unsere gesellschaftlichen Ziele im Bereich der Transformation des Bestandes rasch und qualitätsvoll umzusetzen.
Die Vier Fraktionen und ihre Entscheidungskriterien:
1. Fraktion: Baukultur und Bauwesen
Als Architekten*in oder Planer*in wird Euch immer wieder die Aufgabe zuteil werden, die Interessen, Vorgabe und Ziele aller hier genannten Beteiligten zusammen zu führen und ein kohärentes Ganzes zu schaffen.
Um eine innere Linie verfolgen zu können, müsst Ihr Euch darüber im Klaren sein, was Eure eigenen primären Ziele sind, was Nachhaltig im Kern für Euch bedeutet und was wir tun müssen, um wirklich nachhaltig zu bauen.
Dazu brauchen wir funktionierende Prinzipien für die Definition von Qualitäten sowie eine Vorstellung von den möglichen Bautechniken, deren Kosten und Auswirkungen auf Mensch, Natur und Klima.
2. Fraktion: Die Treiber aus der Wirtschaft: Wohnungsbauunternehmen, Eigentümer und Investoren
Die großen Wohnungsbauunternehmen, welche derzeit oft in den Medien stehen und teilweisesogar im DAX gelistet sind, haben durchaus den Cashflow und die Anreize, ihren Bestand zügig umzubauen. Aber schaffen sie auch lebendige Nachbarschaften und optimieren Sie ihre Bautätigkeit in Hinblick auf die CO2-Bilanz? In jedem Fall verfolgen sie ein in sich schlüssiges Geschäftsmodell.
Und des gibt noch viele andere Geschäftsmodelle, mit denen Investoren, Bauträger, kleinere und kommunale Wohnungsbauunternehmen am Markt unterwegs sind.
In diesem Block wollen uns einen Überblick darüber verschaffen und erforschen, wie das unternehmerische Streben der unterschiedlichen Markteilnehmer in die großen Ziele eingebunden werden kann. Wir machen uns klar, dass der Großteil der Bautätigkeit von dieser Fraktion angeschoben wird und das hier auch der
überwiegende Teil der Risiken getragen wird.
3) Regierungen, Institutionen und Förderinstanzen
Das große Thema der Bundesregierung, der EU und anderer Staaten ist die unbedingte Notwendigkeit schnell den CO2-Austoß zu reduzieren. Andere Ziele werden ebenfalls verfolgt und gefördert:
Erhalt von Ökosystemen, Biodiversität , soziales Miteinander, Verwendung transparenter Lieferketten und viele Weitere.
Nach welchen Kriterien, werden Fördermittel aktuell verteilt. Was bedeutet Nachhaltigkeit für die Bundesregierung, die KfW-Bank, die Bafa oder für die DGNB? Helfen komplizierte Zertifizierungssysteme und die verschiedensten Kriterien der unterschiedlichen Fördertöpfe wirklich, das Geld zu den richtigen Projekten zu bewegen? Wie sinnvoll sind die aktuellen Kriterien? Wie
könnten diese Kriterien vielleicht besser gestaltet werden?
4) Recht- und Normen Apparat
Wenn wir es geschafft haben die Fraktionen 1-3 sinnvoll auf eine gute Linie zu bringen, kommen noch weitere Herausforderung: Deutsche Gesetze, Verordnungen, und Normen.
Diese sind für Planer und ausführende Firmen ziemlich verbindlich. Welche Vorschriften gibt es die bereits bei der Transformation helfen? Welche stehen im Weg?
Termine
Die Platzvergabe erfolgt über das zentrale Anmeldeverfahren der Fakultät in RWTH online. Platzannahme der zugeteilten Plätze bis 03.04.2023 per Email an (Mailadresse folgt).
Blockseminar über je zwei Tage.
Auftakttermin am 13.04. um 14:30-16:00
1. Blocktermin am 27/28.04
2. Blocktermin am 25./26.05
3. Blocktermin am 15./16.06
4. Blocktermin und Abgabe 06./07.07.
Modul
Forschungsfeld
M.Sc. alle Semester
max. 15 Teilnehmende
Betreuung
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Christian Raabe
Dipl.-Ing. Architekt Laurits Stahm M.A.